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ENZIAN UND KRANEWITTER

D'Beag vaschneit
Da Lois mit Schneid
Da Heagott in alle Ewigkeit

Dies ist die hanebüchene Geschichte vom krachledernen Lois, dem grobkarierten Münchhausen, den Newton nicht achtender Besteiger gefährlicher Gipfel und lockender Leitern, Erleger edlen Wildes, geeichter Hallodri, Verzwicker gewaltiger Portionen, ein Champion aller Hakelzieher, Meister der urigen Kehllaute, brillanter Watschentänzer und Schuhplattler, begeisterter Bukoliker, ein Berserker im Rausch, der Schrecken der Kirchweihfeste, dessen Aventiures auf allen Almen und in sämtlichen Tälern Anklang fanden und heute, Legende geworden, an Lagerfeuern und Wirtshaustischen erzählt werden.
Über Loisens Geburt und Herkunft will nicht einmal der hochwürdige Herr Pfarrer nichts Genaues wissen.
Manche meinen zuweilen, den Lois habe der Berg ausgespien, andere bezeichnen ihn als Sproß edler Herkunft und Alpentarzan, wieder andere bringen ihn mit Herrn Trenker und Frau Rökk in Verbindung, infantile Gemüter munkeln irgendwas von Rübezahl, und einige schwören sogar, ihn niemals gekannt zu haben.
Was an dem Gerücht dran ist, der Lois könnte eventuell der Sohn einer Nonne, unter Umständen gezeugt von einem hochwürdigen Herrn, vielleicht sogar von einem Abt oder einer Eminenz, womöglich einer verschwiegenen Sennerin in Obhut gegeben und gegebenenfalls von dieser großgezogen, gewesen sein, kann keiner mit Bestimmtheit sagen.
Niemand aber, ob Spezi oder Kontrahent, wagte je zu behaupten, der Lois wäre auf der Nudelsuppe dahergeschwommen.
Der Lois selber pflegte auf Fragen, die etwas Licht in die dunkle Angelegenheit zu bringen suchten, stets mit einem breiten Grinsen und einem vielsagenden Nicken zu reagieren.
Rätselhaft wie seine Herkunft war auch das zeitweilige Verschwinden des Bergfexen. In Summa is da Lois weck, hieß es Jahr für Jahr, do hoit eam nix mea, do muassa auffi.
Oft wußte monatelang keiner, wo der Lois verblieben war. Schon begann man, in den Gaststuben einander die unglaublichsten Theorien zuzubrüllen und während der Sonntagsmesse raunten die Leute nur mehr über Berge, Lois und Aberglauben, bis eines Herbsttages der Lois wieder das Wirtshaus betrat und eine ordentliche Maß Bier verlangte. Immer brachte er Trophäen mit: etwas Halbedelstein, einen Halbschuh oder ein Sträußchen Edelweiß; und immer wußte er allerlei zu schildern: von dunklen Höhlen und gleißendem Bergkristall, von steilen Wänden und mächtigen Unwettern, vom nimmermüden Echo, von der Verdauung der Kühe, von sinistren Almhütten, verwunschenen Alraunen und gespenstischen Gipfelkreuzen, von schönen Sennerinnen und bezaubernden Schäferinnen, vom Walten der Naturgewalten halt.
Die Älpler lauschten den Geschichten, die er zwischen kräftigen Zügen, mit denen er seine Maß leerte, und den Rufen nach den neuen, vollen Maß, ausgeschmückt mit deftigen Worten, von seinen eigenen Tiraden berauscht, den Staunenden erzählte.
Wenn während Loisens fantastischen Schilderungen der Förster im Wirtshaus weilte, saß dieser immer abseits vom Tisch, an dem die Neugierigen sich um den Erzähler drängten, in irgendeiner dunklen Ecke, trank verbittert seinen sauren Trunk und äugte hie und da, Gams- und Vollbärtig wie er war, mit bös verkniffenen Hirschhornknöpfen zu Lois hinüber, denn dem Weidmann schwante, der Lois würde sich am hochwohlgeborenen gräflichen Wild vergreifen, wenn er für Monate unterwegs war. Wie sonst konnte der Lois immer so wohlgenährt aus der Einschicht zurückkehren, wenn selbiger nicht hin und wieder des Grafen Zielscheiben als Brotzeit verzehrte. Woher auch sollte das viele Geld für hohe Zechen in Loisens Taschen kommen, wenn nicht durch den Verkauf von Fellen und Horn. Oft schon war der biedere Jagdaufseher Loisens Goisererspur gefolgt, immer in der frommen Hoffnung, den Wildschütz bei frischem Schuß zu ertappen, und jedesmal war Loisens Losung das letzte gewesen, was er von dem behenden Kletterer zu sehen bekommen hatte. So blieben dem treuen Schergen in gräflichen Diensten nur Mutmaßungen und dumpfe Wut, weil er dem Lois niemals eins aufbrennen durfte.
Hätte der Selfmade-Büttel den alpinen Tausendsassa einmal bis zum Ende seiner Fährte verfolgen können, wäre er zum Mitwisser eines sorgsam gehüteten Geheimnisses geworden, denn die Spur führte über die Berge geradewegs in die Stadt, wo der Lois all die Zeit, die man ihn in der Wildnis wähnte, hauptsächlich als schurkischer Hillbilly vor johlendem und unflätigem Publikum gegen andere bärenstarke Kerle catchend verbrachte – wer hätte das gedacht.
Loisens Ableben dagegen war allem Anschein nach recht zünftig.
Die einen erzählen, der Lois wäre einer Maid zu gefallen Gebirgsblumen brocken geklettert, wäre dabei dem Geiernest zu nahe gekommen und hätte schließlich auf Drängen des Geiers abstürzen müssen. Die anderen sagen, man habe den Lois erfroren in einer Höhle gefunden, vor der ein erschlagener Bär gelegen sei. Der Förster wiederum behauptet gern im Rausch, er habe dem Lois endlich eins verpaßt.
Wie dem auch war, der Lois ist schon ein Pfundskerl gewesen.

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