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DAS IMAGINÄRE SONNTAGSMAHL
ODER
FIKTIVE SCHNITZEL

„Leiwaund woas scho, und a Gaude a zeidweis", fand Karl und meinte den Krieg, „des hädsd seng miassn, wia da Baunza en Födwewe iwad Zechn gfoan is – höhöhö".
„Froo bini, dass vuabei is", nickte Mali und rührte verloren im Sterz.
„Jo scho, mia is ä a liawa, waunni mei Rua hob – wäu aan richtichn Sundoch hods do draussn ned gem", bekräftigte Karl und meinte die Etappe. „Auwa schlechd woas ned, hoat samma wuan dabei – waunn isns Bappal fertig?
Mali, verloren im Sterz rührend, ging nicht recht auf Karls Frage ein, sondern erklärte: „Oawatn haumma miassn wiad Mauna, en da Muniziaunsfabrig". „Wos hasd oawatn wiad Mauna... sads fro, dass im Hinterland woaz, wos glaubst wos mia do draussn dau haum", meinte Karl, wieder auf die Geschehnisse im Kriege anspielend, „glaubst mia haum fitschigogalt – waun isns Essn fertig?"
„Aa bissl Zeid wiast jo no haum, hosd joarelaung jedn Dog auf de Menasch woatn miassn, waunst iwahaupt ane griakt host – jetz aufamoi wüla sei Bappal haum um sei Zeid."
„Nau glaubst denn du des woa a Spass, eigrom und ausseschiassn und nix zfressn dabei, Spass woa des kana".
„Joo, joo, oiwäu des söwe – mia haum tschinoglt in da Muniziaunsfabrik, dass de Hean wos zan vaschiassn haum, und wias wieda daham san, muass ma eana wos kochn, dass wos zan vafressn haum – griagst ä glei dein Steaz". Um sich die Zeit zu vertreiben dachte Karl eine Weile mit nostalgischen Gefühlen in der Magengrube zurück an die ruhmreichen Zeiten. Mali unterbrach seine Fantasien: „Huach", alarmierte sie, ganz Ohr geworden, „Huach, do glopft doch wea!"
„Da Swoboda wiad Nägl grodglopfn, dassas eidauschn kau im Schleich; griagt ä nix dafia, wosa si de Oawat mocht iwahaupt".
„Na, na – wast wos i da sog, des Glopfn kenni, wauns a scho laung hea is, wiaris letzte moi gheat hob: do glopft wea Schnitzln!"
„Gä, wea kennt si denn heizdog Schnitzln leistn?"
„De Srb hod a Dant aum Laund, bei Mistlboch in da Gegend!" „Glaubst wiakli, dass bei de Srb Schnitzln gibt, ummasunst gembs de Gscheadn a ned hea, Dant oda ned, de Srb stengan ä nem de Bodschn".
„Auwa glopfn duad wea, grod umd Middogszeid", beharrte Mali und stellte die Rein mit Sterz auf den Tisch. Der Sterz jedoch schmeckte nicht besonders, diese improvisierte, hauptsächlich aus Kartoffeln zubereitete Seise, mehr aus Verlegenheit oder der Einfachheit halber Sterz genannt. Allzu tief saß der Eindruck von geklopften Schnitzeln. Eine Woche später wurde den Aschenbrenners der Appetit auf das Erbsenpüree wiederum durch Schnitzelklopfen vergällt. Verdrossen saßen Mali und Karl Aschenbrenner vor ihren Tellern voll grünem Etwas und grollten jenen noch nicht genau eruierten Hausbewohnern, die sich in schlechten Zeiten Schnitzel leisten konnten.
Mali bemerkte dabei lakonisch: „Grod imma umd Middogszeid – des miassn Schnitzln sei".
Als sich am dritten Sonntag die Befürchtungen der beiden bestätigten und wieder das penetrante Klopfen ertönte, wurde es der Aschenbrennerschen doch zu bunt. Mali ließ Bramburi Bramburi sein und schlich auf den Gang, um den Schnitzelherd ausfindig zu machen. Auf dem Gang traf sie Frau Novak, bereits aufmerksam lauschend und solchermaßen in der gleichen Angelegenheit zugange. Das Klopfgeräusch war soeben verstummt, drum beäugten die beiden einander mißtrauisch und bevor noch Frau Aschenbrenner die Frage stellen konnte erkundigte sich Frau Novak schon: „Woan se des midn Schnitzlglopfn?"
Mali, vom Teufel geritten, reagierte dreist: „fräuli", sagte sie und schritt erhobenen Hauptes Richtung Gangklosett. Und weil Frau Novak weiter am Gang verblieb, mußte Mali, den Schein zu wahren, das Klosett selbst auch noch aufsuchen. Vergebens wartete sie, daß die Tür zur novakschen Wohnung sich schließe – und da ertönte just jenes unselige Klopfen wieder. Weniger erhobenen Hauptes kam Mali nicht zu verrichtender Dinge aus dem vulgo Häusel und mußte zu ihrem Leidwesen an einer hämisch blickenden Novak vorbei. „Pfa – Schnitzln", spottete die nur und schritt nun ihrerseits erhobenen Hauptes in die Zimmer-Küche-Wohnung.
Erbost stand Mali am Herd.
„Wast jetz, wea do Schnitzln glopft?" fragte Karl ahnungslos.
„Naa, wasi ned", maulte Mali unwirsch, „auwa de Novak howi aum Gaung droffn und wäus so bläd gfrogt hod, howi gsogt, dass mia de Schnitzln bochn. Des hods daun auwa gwiss ned glaubt, wäus Glopfn glei wida augfaungt hod. So a Blamasch. – Du, des sogi da, näxtn Sundoch miassn Schnitzln hea – daun losi de Gaungdia offn, dassas a riachn kennan", schwärmte Mali.
„Wo wüstn Schnitzln heanemma, des Schweinane is saudeia, des kemma uns ned leistn, und schwa zkriang is a... "
„De wiad uns sche ausrichtn, de Novak – olle weans uns ausrichtn, wäu muang was es gaunze Haus, kennst ä de Novak, boid was da Greissla a und daun de gaunze Gossn".
„Wäust a glei so einedran muasst."
„Nau wauns a so bläd schaut und so bläd frogt, de Novak."
„Weiwa", stellte Karl bedeutungsvoll fest und schloß achselzuckend, „ziang ma hoid in an aundan Hieb".
Eine Woche genügte, um einen maliziösen Plan reifen zu lassen. Schnitzelfleisch würde nicht zu beschaffen sein, so viel stand fest. Schnitzel aber könnte man leicht und ohne viel Aufwand vorspiegeln, und das ging so: Am Sonntag stand Mali beim Reindl mit Erbsenpüree und Karl klopfte daneben mißmutig einen Patzen Fensterkitt breit. Die potemkinschen Schnitzel waren perfekt.
Von nun an ging im Hause elf und gar über die Gasse die Kunde, daß im Elferhaus bereits zwei Parteien über sonntägliche Schnitzel verfügen durften oder konnten. Der Argwohn wuchs unter den Schnitzellosen. Da dürfte oder konnte doch einiges unmöglich mit rechten Dingen zugehen.
„Zar wos wüst denn des deata scho wieda auffian", hatte Karl noch gefragt, bevor er den Nudelwalker zur Hand genommen hatte.
„Weng da Novak und dem Gfrast wos do Schnitzln glopft", hatte sich Mali dazu geäußert.
Erwähntes Gfrast machte auch wochentags weiter kein Hehl daraus, daß es dank gewisser pekuniärer Vorteile, die ein Gatte in gehobenerer Stellung im öffentlichen Dienst eben so genieße, in der Lage sei, jeden Sonntag Schnitzel zu backen, lies weiters durchblicken, daß das noch lange nicht alles sei und hieß Frau Gruber, im Jargon der Aschenbrenner „de Gruawarische dea Schlaumpn" genannt.
„Do haummas", zürnte Mali, als eines Sonntags das verfluchte Geräusch wiederum nicht ausblieb.
„Koal, do host en Nudlwoika und hoi en Kitt; des losi ma ned gfoin".
Karl seinerseits schüttelte bloß den Kopf und hatte im übrigen aufgegeben zu fragen, zar wos er dies Theater veranstalten solle. Während Karl dann brav klopfte, konnte sich Mali nicht verkneifen auf den Gang zu huschen. Weibliche Intuition trieb sie, denn ihr schien gewiß, daßß bewußte Novak neugierig lauschend Gang und Wohnungstüren unsicher machte. So war es denn auch. Selbstbewußt konnte sie der Person gegenübertreten, war doch aus geöffneter Wohnungstüre deutlich klatschendes Klopfen zu vernehmen.
„Da Kali is so liab und glopft ma de Schnitzln", war Amaliens triumphierender Kommentar.
„Fein, waumma sis leistn kau – wo haummas denn hea?" versuchte eine verschlagene Novak devot zu wirken.
Mali stellte die Wasserkanne zur Bassena und maß die Nichtswürdige mit einem entsprechend verächtlichen Blick. „Waunni inas glei sog – se haum jo do nix davo".
Am liebsten wäre Mali anschließend kannenschlenkernd in die Wohnung zurückgehüpft, bewahrte jedoch Haltung und schritt heim zu Karl, Kitt, Nudelwalker und Siegesmahl.
Mali fand nun Sonntag für Sonntag Gelegenheit, die lauernde Novak zu ärgern.
Einmal, als Mali gerade den Abwasserkübel leeren ging, während Karl Kitt klopfte, wollte die soeben zufällig am Gang weilende Frau Novak die Gelegenheit nutzen und Herrn Aschenbrenner Worte des Lobes zukommen lassen, da der brave Mann doch jeden Sonntag seiner Frau in der Küche half, und dabei vielleicht einen Blick auf die sicherlich recht kleinen Schnitzel werfen, was man dann in diesem Sinne kolportieren könnte.
Mali, die geistesgegenwärtige, vereitelte das Vorhaben, indem sie vom Klo her rief: „Frau Noovaak, brauchn se imma unsa Wischbabia?"
„Na, i hob jo mei eiganes! Des wiad sicha da Untamieta von da Mikoletzky gnumma haum". Mit diesen Worten schwenkte sie in Richtung Mali ein, um ihr vertraulich mitzuteilen, was sie über diesen suspekten Menschen alles wußte.
Auch sonst wirkte sich die Mär von den Schnitzeln für das Prestige der Aschenbrenners günstig aus. Karl und Amalie Aschenbrenner wurden von Hausmeister und Greißler mit Respekt behandelt. Mali schwanzte lediglich, daß die Gruawarische, der Schlaumpn, gleiche Vorteile genießen durfte.
Als Amalie eines Tages das Gerücht zu Ohren kam, demnach bei gewissen Leuten im Hause elf ein recht karges und billiges Sonntagsmahl üblich sei und allein der Teufel wisse, welches Geräusch da an Sonntagen aus deren Wohnung dröhne – wachsame Nachbarn mutmaßten, daß Nudelteig als akustische Schnitzelattrappe diene –, wurde sie vorerst ein wenig blaß und witterte einen Hinterhalt. Doch stellte sich im folgenden Gespräch heraus, daß Grubers der Fälschung verdächtigt wurden, was die erleichterte Mali gleich zu ätzenden Bemerkungen veranlaßte.
Jedenfalls fand sich die Elite des Elferhauses künftig in Gesellschaft von Nachahmern, die bereit waren, mit ihren Nudelwalkern und Fleischschlögeln in die sonntäglichen Klopfkonzerte einzustimmen.

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