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ANKUNFT

Das erste Anzeichen ging von den Tieren im naheliegenden Zoo aus, die ungewöhnlich unruhig schienen.
Die Papageien begannen krächzend Apokalyptisches zu prophezeihen. Schlangen wanden sich zu mystischen Symbolen. Die Raubkatzen rotierten geradezu in ihren Käfigen. Wölfe hockten und heulten. Die Wiederkäuer kauten wieder. Strauße suchten sich zu tarnen und dem Affenhaus durfte man überhaupt nicht zu nahe kommen, allein des trommelfelldurchdringenden Gekreisches wegen und weil man leicht mit Unrat beworfen hätte werden können.
Später begannen die Kristalluster im Schlosse zu klirren – das war Anzeichen Numero zwo.
Als drittes und deutlichstes Zeichen erschien plötzlich eine große glänzende Scheibe am Himmel und fiel in die sorgsam gepflegten Beete im Schloßpark.
Nun wars passiert – ein UFO war in Schönbrunn gelandet.
Ein gordischer Verkehrsknoten entstand auf den rundumliegenden Verkehrswegen, mit dessen Entwicklung eine erkleckliche Anzahl von Polizeibeamten lange Zeit beschäftigt war.
Einer der Beamten, den es in den Schloßpark verschlagen hatte, weil ihm die Betriebsamkeit auf den Straßen da draußen nicht so sehr behagte, schrieb sogleich einen Strafzettel für das UFO, denn das Parken von Kraftfahrzeugen im allgemeinen und das Landen von Fluggeräten im speziellen sei im Schloßpark ohne Genehmigung der Schloßhauptmannschaft allgemein und in den Beeten des Parks speziell überhaupt nicht erlaubt.
Bei kleineren Delikten könne man schon einmal die Dienstmütze über ein Auge rücken, dies hier ging aber deutlich zu weit. Auch Außerirdische schütze Unwissenheit vor Strafe nicht.
Die städtischen Honoratioren waren durch das Verkehrschaos an der Begrüßung der Ankömmlinge verhindert. Die hatten ohnehin ein wütender Gärtner und jener eifrige Wachebeamte bereits besorgt.
Bei den Verständigungsversuchen zeigte sich, daß die Leute von Außererde sich gründlich auf den Besuch vorbereitet hatten. Ihr Deutsch war gut verständlich, wenn es auch ein wenig altertümlich klang. Nebstbei zeigten sie sich verwundert, daß just diese schönen bunten Beete kein Landeplatz sein sollten. Bei ihnen zu Hause sähen die Landeplätze alle so aus, es täte ihnen leid und nun könne man nichts mehr machen, das Raumschiff müsse auskühlen.
„Wea saan denn dees?" fragte unsicher eine Stimme aus der Menge der Gaffer.
„Marstschuschn saans", meinte ein Auskenner verächtlich.
„Woos woin dee doo?" fragte die nächste Stimme und ein anderer Auskenner versetzte: „De kumman ois Duristn".
„Wo bleibt denn das Militär so lange?" zitterte ein Bürger, dem die Art der Fremden etwas zu fremd schien.
„Kaa Mülledäa, de Feiawea muass hea, do brandlt woos bei dera Untadassn."
„Sein mir schon im Diagoatn?" fragte ein Kind aus der Provinz seine Mutter, die wußte es aber auch nicht genau.
„Flichtling saans – jetz kummans schoo vo iiwaroi."
„Vo woo kummans?"
„Nau vo duatn – ääschowissn", antwortete einer der Auskenner, mit bedeutungsvollem Blick nach oben.
Ein gerade hinzugekommener Tourist meinte: „Geschmacklos, daß die hier in diesen wunnerschöön Paak, nem dieses olle Schloß son modernes Kunstwerk stellen müssen...das paßt doch gaa nicht hiehea!"
„Bleims doo, oda foans ää boid wieda oo?" fragte eine Frau, der anzumerken war, daß sie letztere Variante entschieden vorzöge.
Nachdem die Amtshandlung abgewickelt war und der Gärtner lange genug getobt und die Fremden bucklige Hunde geheißen hatte, bot sich einem aufgeschlossenen Einheimischen endlich die Gelegenheit, friedlichen Kontakt aufzunehmen.
Der Mann hatte vorher schon den Gärtner zu beruhigen versucht, war damit aber kläglich gescheitert, weil jener gar so außer sich war.
Der Aufgeschlossene fragte die Ankömmlinge nach dem Wetter zu Hause, erkundigte sich über den Verlauf der Reise, erzählte einen Schwank, welchen sich sein jüngster Enkel unlängst geleistet hatte und ging schließlich dazu über, die Schönheiten des Schlosses zu preisen.
Schließlich entschloß man sich zu einer gemeinsamen Schloßbesichtigung.
Als dann die Damen und Herren von der Presse kamen, mit ihren gierigen Okularen und Mikrophonen, trafen sie die Fremden gerade im Zeremoniensaal an, was dem Ganzen einen schön offiziellen Anstrich verlieh.
Der Führer wurde jäh aus einer ausholenden Gebärde gerissen, als die Fotografen und Journalisten blitzende Fotos und eilige Fragen zu schießen begannen. Und der aufgeschlossene Einheimische stellte sich sogleich in Pose, legte zweien von den Gästen freundschaftlich die Arme auf die Schultern und ließ sich stolz mit seinen Haberern vom andern Stern fotografieren.
Hunderte Fragen prasselten gleichzeitig auf die Fremden ein.
Ein Teil der Journaille wollte Informationen über die politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Situation auf dem fernen Planeten, andere interessierten sich mehr für Statistiken über Gewaltverbrechen und Eigentumsdelikte sowie aktuelle Sporttabellen.
Man solle einige prominente Namen nennen und Geschichtchen erzählen, die sich um jene Namen rankten, baten welche.
Der etwas zerstreut wirkende Redakteur eines wissenschaftlichen Blattes fragte, ob die Herren an intelligentes Leben auf anderen Planeten glaubten – das kann aber auch als Fangfrage gemeint gewesen sein.
Welchen Geschlechts die Fremden seien, wollte die Vertreterin einer feministischen Gazette wissen.
Der Mitarbeiter einer technischen Zeitschrift fragte, ob er das Raumschiff zerlegen dürfe.
Ebenso gleichzeitig, wie die Fragen gestellt wurden, beantworteten die Fremden sie, was die Leute von der Presse ziemlich aus dem Konzept brachte.
Den diversen Blattlinien entsprechend fielen am nächsten Tag dann die Beschreibungen der weitangereisten Gäste aus.
Teils wurden sie als Monstren beschrieben, die es im Auge zu behalten gälte, teils sah man sie als konziliante Wesen mit exotischem Charme und dazwischen gab es noch dutzende andere Betrachtungsweisen.
Der Tenor unter allen Fragen blieb jedoch: welchen Zweck verfolgt man mit der Expedition? oder: was verschafft uns die Ehre? oder weiters: ist jetzt alles aus?
Die Außerirdischen erklärten, daß sie in eindeutig friedlicher Mission kämen, wie es hierzuplanete heiße, und daß sie gekommen wären, weil sie schon seit geraumer Zeit Signale aus eben dieser Gegend des Alls empfangen hätten, eine spezielle Folge von Tönen, die ihr Interesse dermaßen geweckt hätten, daß sie nicht umhin konnten, deren Entstehen nachzugehen respektive nachzufliegen.
Mehr an Information brauchten die Zeitungsleute nicht, die Schlagzeilen überschlugen sich:
„Raumpatrouille gelandet",
„Messiasse angekommen",
„Geheimnisvolle Signale locken UFOs an"
und dergleichen mehr gab es dann zu lesen.
Es brodelte in der Gerüchteküche.
Eine Vermutung über die Herkunft der geheimnisvollen Signale jagte die andere.
Daß die Fremden die Gesänge der Buckelwale empfangen hätten, munkelte man, die Detonationen von Atombomben, urbanen Straßenlärm oder das Getös von Schlachtenbummlern.
In einer groß angekündigten Fernsehshow sollte das Geheimnis gelüftet werden.
Geduldig warteten die Fernseher vor den Fernsehern bis der Sprechmeister endlich den Schwall seines dalkerten Talks bemeisterte und die Fremden zu Wort kamen.
Ihr Sprecher erklärte einiges über seine Rasse und seine Heimat, wiederholte, was ihn und die Anderen hierhergeführt hatte, und erklärte weiters, daß sie nun im Begriff wären, die nämliche Tonfolge stimmlich zu interpretieren, weil ihre Aufzeichnungen mit den hier gebräuchlichen Geräten nicht wiederzugeben wären.
Alle Fernsehkanäle waren voll mit nur der einen Sensation, und dabei saß nahezu die gesamte fernsehempfängliche Welt mit angehaltenem Atem, verhielt das Popkornkauen und vergaß sogar, nach dem Bier zu greifen, sah, wie die Außerirdischen Luft holten und hörte alsdann das typische, langgezogene, unzählige Strophen von Wienerliedern beschließende: Haaloo.

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