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DER BLOCK

X: Sieht er nicht prachtvoll aus?
Y: Wie klar er schimmert, wie kühl er gleißt
X: Wie hell er strahlt
Y: Ein besonderer ist er
X: Ich kann meinen Blick nicht von ihm wenden
Y: Ich nenne ihn schlicht schön
X: Ich erkläre ihn darüberhinaus für ästhetisch
Y: Erhaben!
X: Wunderbar!
Y: Selbst das ist seiner nicht würdig. Uns versagt die Sprache
X: Neue Worte müssen wir finden für solche Pracht
Y: Gigantoglitzer
X: Phantasmostrahl
Y: Überdrüberhypersuperextrawältigend
X: Exorbiaußerheuerlich
Y: Augmentastisch
X: Exzeptioblüffend
Y: Monumentalgefallend
X: Inimaginierlich
Y: Herrlich
X: Das war ein altes Wort
Y: Mehr neue Worte fehlen mir
X: Gibt es etwas Fabelhafteres?
Y: Er ist nicht von dieser Welt
X: Nicht schäbig und schnöd
Y: Nicht plump und farblos
X: Das schon
Y: Was machts
X und Y gemeinsam: Ich bin wirklich froh, daß ich ihn bekommen habe beide stutzen, dann wieder zugleich: Wieso Du?
X: So erinnere dich doch
Y: Wenn ich mich recht erinnere...
X: Na!?
Y: ...hab ich ihn bekommen
X: So erinnerst du dich nicht recht
Y: Laß uns zurückblicken
X: Ich blicke bereits und sehe einen Herrn, welcher auf einen Eisblock weisend zu mir spricht: nimm ihn, dein soll er sein immerdar
Y: Wo schaust du hin? So stimmts doch nicht. Mich hat er doch gemeint eindeutig
X: Gewiß, der noble Herr schielte ein wenig. Dennoch muß er mich gemeint haben, denn er hat seine Worte an mich gerichtet
Y: An mich sag ich, an mich
X: Es ist genug: Mit dem Mund kann man nicht schielen
Y: Ich hab ihm mehr Gehör geschenkt, darum ist der Block jetzt mein
X: Ich darf den Herrn doch nicht enttäuschen, wenn er den Block schon in meine Obhut gibt
Y: Wir werden ihn befragen, er soll entscheiden
X: Wenn du weißt, wo du ihn finden kannst, herbei mit ihm
Y: Mir läge vielmehr daran, daß du ihn holtest
X: Ich werde mich hüten, den Block aus den Augen zu lassen
Y: Das hast du in den letzten Minuten, während wir sprachen, sowieso schon einige Male getan. Du bist seiner nicht würdig!
X: Du tust mir unrecht, ich muß ihn immerzu ansehen, weil er so, so, so...schön ist
Y: Ich bringe es nicht fertig, ihn in seiner Wunderbare auch nur einen Blick aus den Augen zu lassen
X: Verstell dich nicht so! Tu nicht so, als ob du ihn mehr bewundertest als ich
Y: Und wenn schon, mit meinem Block kann ich machen, was ich will
X: Der Block soll dem gehören, der ihn mehr bewundert
Y: Tu ich ja
X: Beweise es!
Y: Wie kann ich das, es ist ein Gefühl
X: Vorhin war es dir noch egal, wer ihn mehr bewundert. So etwas dürfte dem legitimen Besitzer aber nicht egal sein
Y: Ich schließe, du schließt daraus, daß...
X: Richtig
Y: Ich meinte nur, daß er mir sowieso gehört, weil der Herr nämlich von bewundern müssen kein Wort gesagt hat, als er mir den Block überreichte
X: Lächerlich! Dir überreicht doch keiner einen Block
Y: Warum das nicht?
X: Jeder Block ist doch viel zu schade für dich, überhaupt dieser hier
Y: Weil du ihn willst
X: Weil er mir gehört
Y: Du bist ein Schlitzohr
X: Was ist ein Schlitzohr?
Y: Ein Schlawiner
X: Was ist ein Schlawiner?
Y: Ein Tunichtgut
X: Oho!
Y: Ja ja
X: Ein Mensch mit Block soll ein Tunichtgut sein? Das macht mich lachen!
Y: Ein Mensch, der den Block seines Nächsten begehrt, ist ein Schlawiner
X: Willst du ihn haben, den Wunderbaren?
Y: Ja, ich will!
X: Dann aber bist du das Schlitzohr, der Schlawiner, der Tunichtgut
Y: Seis drum
X: Es würde dir nichts ausmachen, ein Vorhinerwähnter zu sein?
Y: Wär ich ja nicht. Denn ich bin der rechtmäßige Herr des Blocks
X: Der andere Herr hat aber etwas anderes gesagt
Y: Zu dir vielleicht. Ich habe sehr wohl bemerkt, daß ihr tuscheltet
X: Ganz recht, und dabei hat er mir den Block ausdrücklich anvertraut
Y: Ausdrücklich, ha! Leise war das
X: Sei es wie es sei, der Block ist mein
Y: Es dürfte dir vielleicht entgangen sein, daß auch ich getuschelt habe mit dem Herrn
X: Und was hat er dir zugeflüstert
Y: Für dreifuffzig gehört er ihnen, obwohl er viel mehr wert ist und ich mich nur schwer von ihm trenne!
X: Und hast du ihm die dreifuffzig bezahlt?
Y: Ohne Widerrede
X: Ein Tor ohne Geschäftssinn bist du! Ich hab ihn auf zwofuffzig heruntergehandelt
Y: Was? Du hast auch bezahlt?
X: Zwofuffzig inklusive
Y: Demnach hab ich mehr bezahlt und der Block gehört mir
X: Aber ich hab auch bezahlt. Außerdem hab ich länger tuscheln müssen, bevor ich ihn auf zwofuffzig herunten hatte. Das war meine Zeit
Y: So haben wir miteinander bezahlt
X: Seine zwofuffzig ist er auf jeden Fall wert.
Y: Eben
X: Dreifuffzig, im Vertrauen, ist er auch noch Wert, mehr aber schon nicht mehr
Y: Wir müßten ihn auftteilen, wobei das Größere Stück mir zusteht. Ich hab schließlich auch mehr bezahlt
X: Leider kennen wir seine Abmessungen nicht und auch nicht sein Gewicht. Dadurch wird das Teilen äußerst schwierig
Y: Mathematisch ists überhaupt schwer zu bewältigen. Außerdem ist ein zerteilter Block, also sind die beiden kleinen Blöcke dann gleich viel weniger wert
X: Keine dreifuffzig
Y: Und keine zwofuffzig
X: Was machen wir denn da?
Y: Ich sehe nicht ein, daß ich mich mit einem Bruchstück meines eigenen Blocks abfinden soll
X: Ich dachte, das wär endlich geklärt, wem er jetzt gehört. Auch wenn ich weniger bezahlt habe, ich hab ihn als erster erstanden. Dich hat der Herr betrogen, als er dir meinen Block verkaufte
Z kommt hinzu, erspäht den Block: Da ist er ja
X: Wer von uns beiden?
Z: Er da, der Eisblock. Wir suchen ihn schon seit langem
X: Mein Block ist das, wieso sucht ihr ihn
Y: Über meinen Block verfüge ich und niemand sonst
Z: Das ist unser Block, ich erkenne ihn wieder
zieht aus seiner Arbeitshose einen Zollstock, mißt den Block
genau die Größe abgerundete Kanten klarer Fall unser Block
X: Absurd
Y: Unhaltbar
Z: Ich bringe ihnen hunderte Leute, die ihnen bestätigen, daß der Block uns gehört
X: Das ist wenig sinnvoll, wenn sie den Block aufsplittern. So hat keiner etwas von ihm
Z: Wir zersplittern ihn keineswegs, wir wollen ihn in Ehren halten
Y: Unzählige? Den einen Block?
Z: Alle miteinander. Miteinander sind wir stark. Wir werden den Block vor falschem Zugriff schützen
X: Wie hat er ihnen dann abhanden kommen können?
Z: Hab ich nicht behauptet
Y: Er ist ihnen also nicht abhanden gekommen?
Z: Aber nein, passen sie auf, die Geschichte war folgende: Wir halten da also gerade so eine Versammlung ab, kommt einer vorbei, schwingt sich aufs Rednerpult und erzählt uns von dem Block. In unseren Herzen schwoll es sogleich wie ein Ruf: Dieser Block ist für uns bestimmt! Einstimmig beschlossen wir, daß der Block unser sein muß. Dann gingen wir suchen
Y zu X: Erzähl ihm von dem Herrn
X: Also wissen sie, so geht das nicht. Ich habe den Block nämlich rechtmäßig erworben, mittels Bezahlung
Y: Ich hab sogar mehr bezahlt für meinen Block, ich hab ihn rechtmäßiger erworben
Z: Sie sprechen da jeder für sich von einem Block, sodaß ich zu der Ansicht gelange, es müßten zwei da sein. Wo haben sie den zweiten hingetan?
X: Meiner ist der hier, wo der Block von diesem Herrn ist, entzieht sich meiner Kenntnis
Y: Das weißt du ganz genau!
Z: Ich aber weiß es nicht. Also, wo ist er?
Y: Da
Z: Mir kommt vor, man will mich hier zum besten halten. Wer mich zum besten hält, hält ein ganzes Kollektiv zum besten, vergessen sie das nicht
X schadenfroh zu Y: Präg es dir ein
Z: Sie mein ich auch
X: Sehr gut. Wenn sie nämlich wegen des Blocks verhandeln wollen, müssen sie mit mir reden
Z: Wozu verhandeln?
X: Sie haben recht, er ist sowieso unverkäuflich
Y: Jawohl unser Block ist unverkäuflich, sagen sie das ihren Leuten. Reicht X brüderlich die Hand, X schlägt ein
X: Und sagen sie ihnen auch gleich, daß wir zu zweit sind
Z: Wir sind zu Hunderten, wartet nur!
X: Wir werden nicht warten
Y: Sagen sie das ihren Leuten, wir Blockbesitzer warten nicht
Z: Sie werden unserer geballten Gewalt weichen müssen
X: Ihr werdet ins Leere laufen, wenn wir nicht warten
Z: Ich mach jedenfalls gleich unser Zeichen auf den Block
X: Lassen sie den Stempel weg
Y: Trüben sie den Glanz des Blockes nicht
Z: Um Glanz kann ich mich nicht kümmern, ich muß ihn kennzeichnen, den Block
X: Sehen sie nicht, wie klar er schimmert, wie kühl er gleißt?
Y: Wie hell er strahlt?
Z: Das ist mir wurscht. Stempelt, schaut betroppezt
X erheitert: Er läßt sich wohl nicht abstempeln, wie?
Y: Unser Block weigert sich! Er geht nicht jedem zu
Z: Ich werd unser Zeichen einritzen
X und Y: Unterstehen sie sich!
Z fingert einen Schraubenzieher aus seiner Arbeitskluft : Und ob ich mich unterstehe, wär doch gelacht. Sie werden noch staunen! Ist gewiß nicht das erste Mal, daß ich mich unterstehe. Wenn unsereiner sich untersteht, mit der ganzen Mannschaft im Rücken, dann unterliegen die andern.
Er macht sich mit dem Schraubenzieher in der Faust an den Block heran
X und Y: Halt!
Z: Was Halt?
X: Wir wollen die ganze Angelegenheit in Ruhe bereden
Z: Für mich ist das keine Angelegenheit
Y: Er wollte sagen, daß bei einem derartigen Block nur durch ein vom rechtmäßigen Besitzer angebrachtes Brandzeichen von mindestens fünzehn Zentimetern Tiefe, in einem Arbeitsgang eingebrannt, eindeutig die rechtmäßigen Besitzverhältnisse geltend gemacht werden können. Anhand von Eingeritzen, Aufstempeln oder sonstwie angebrachte Kennzeichnungen können nicht als die rechtmäßigen Besitzverhältnisse geltend machende Kennzeichnungen angesehen werden. Widerrechtlich oder unvorschriftsmäßig angebrachte Kennzeichnungen sind mit einer Geldstrafe von nicht unter (murmelt längere Zeit) zu bestrafen. So ist nun mal das Recht!
Z einigermaßen verunsichert: Wieviel, sagten sie?
X: Und vor Gericht würden Sie nie durchkommen. Niemals! Da gibt es etliche Präzendenzfälle
Y: Den von dem armen Kerl zum Beispiel, der nicht zahlen konnte und für Jahre ins Verlies mußte oder wars die Galeere?
Z: Sie wollen mich verscheißern!
X: Fragen sie einen Anwalt unter ihren Freunden, der wird ihnen dasselbe sagen
Z: Ich geh und hol die andern zum abstimmen
Y: Was gibt es da groß abzustimmen, wenn wir im Recht sind?
Z: Wenn genug dagegenstimmen, wird es schnell nicht mehr gelten. Recht haben die, die abstimmen
X und Y lachen
X: Kennen sie den Begriff „Beziehungen"?
Y: Die haben wir!
X: Oder haben sie schon einmal mit einem Richter zu Mittag gespeist?
Z: Das nicht, aber ich kenn Leute, die von Gerichts wegen verpflegt wurden
X: Das ist kein Renommee
Z: Es sollte sie aber beunruhigen
Y: Die ganze Abstimmerei wird ihnen nichts nützen, wenn sie niemanden aus der Justiz kennen. Lassen sie sich das gesagt sein
X: Mit dem Oberstaatsanwalt bin ich noch zur Schule gegangen. Sowas verbindet
Y triumphierend: Haha!
X: Es wird ihnen sehr schaden, wenn sie beharrlich bleiben
Y: Und den andern auch, wenn sie sie mit hineinziehen
X: Schlagen sie sich den Block also aus dem Kopf
Z: Ihnen wirds nichts nützen, wenn ich mir den Block aus dem Kopf schlage. Die andern werden ihn nicht vergessen. Sie suchen ihn immer noch
W tritt hinzu, wendet sich an Z: Gut, daß ich dich hier erwisch, komm mit, wir haben ihn gefunden
Z: Wen oder was?
W: Den Block, komm mit und sieh ihn dir an. Er ist wirklich so wie er uns geschildert wurde
X und Y begierig: Wo?
Z: Aber ich hab ihn auch gefunden
W: Blödsinn
Z deutet auf die Lache, zu welcher der Block inzwischen geworden war: Na hier
W:
 Genosse, du spinnst. Einen klar schimmernden Block suchen wir, keine Pfütze
Z: Aber...
X und Y: Jesses
Y neigt sich verwundert der Lache zu, schlägt mit der flachen Hand darein, daß es spritzt: Wasser, Wasser, Wasser, nur mehr Wasser
X zu W und Z: Das haben wir ihnen zu verdanken
W: Ich bin doch gerade erst gekommen
Y: Sie gehören zur gleichen Sorte. Er hat uns schon gewarnt vor ihnen
Z: Und wo der herkommt, da sind noch mehr
W: Sie sind alle beim Block
Z: Passen sie auch gut auf?
W: Klar zwei von uns sitzen drauf. Den kann uns keiner mehr wegnehmen
Z: Hier gibts nichts mehr zu tun. Gehn wir
W und Z ab
X und Y versuchen schon länger, das Wasser irgendwie aufzutunken, besinnen sich jetzt und laufen nun W und Z nach

X: Wartet, laßt uns den Block auch anschauen
Y: Laßt uns sein klares Schimmern, sein kühles Gleißen sehen...
X: Sein helles Strahlen...

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